Was hülfe es dem Menschen, wenn er die ganze Welt gewönne und nähme doch Schaden an seiner Seele?

Matthäus 16,26


 

Die Experten waren sich einig: Die Tour de France 2019 war so spannend wie seit Jahren nicht mehr. Endlich hatten wieder einmal neue Gesichter die Chance, die Tour zu gewinnen. Sieger wurde ein 22-jähriger Kolumbianer, der jüngste Sieger seit über 100 Jahren.

 

Vor wenigen Jahren sah das anders aus. Der US-Amerikaner Lance Armstrong gewann die Frankreich-Rundfahrt sieben Mal nacheinander. Er war erfolgsbesessen wie kein anderer und dominierte die Tour nach Belieben. Selbst Fahrern, die Hunderte von Kilometern allein dem Ziel entgegenfuhren, schnappte er den Sieg vor der Nase weg, obwohl dieser auf einem Platz jenseits der 100 lag. Er wollte den Sieg über alle und alles. Deshalb nannten ihn Fahrer und Journalisten nur den „Kannibalen“. Irgendwann wurden Stimmen laut, die seine Dominanz mit Doping begründeten. Dem Hinweis, dass er stets „sauber“ war, folgte ein verbaler Rundumschlag. Er kann nichts dafür, dass die Konkurrenz so schwach sei und sie nur neidisch auf seine Erfolge sind. Als dann diese Stimmen auch noch aus seinem eigenen Team kamen, warf er die Fahrer einfach raus. Andere kündigten daraufhin ihre Verträge in der Mannschaft von Lance Armstrong. Mit so einem Egoisten wollten sie nichts mehr zu tun haben. Er war zunehmend isoliert.

Eines Tages kam die Meldung, dass Lance Armstrong des Dopings überführt wurde. Dem folgte die lebenslange Sperre im Radsport. Alle Tour-Erfolge wurden ihm aberkannt, Siegprämien mussten zurückgezahlt werden. Manche Sponsoren verklagten ihn wegen Rufschädigung. Plötzlich war er ein einsamer und gescheiterter Mann. Es war die Quittung für sein bisheriges Leben.

Bist du schon einmal Menschen begegnet, die den Erfolg über alles gestellt haben? Menschen, denen jedes Mittel recht ist, um Besitz, Macht und Anerkennung zu erreichen, Karriere zu machen? Hast du es schon mal versucht, sie auf die Risiken und Nebenwirkungen ihres Handelns anzusprechen? Die Gefahr, eine Retourkutsche à la Lance Armstrong zu erhalten, wäre ziemlich groß.

Aber warum muss ich eigentlich immer über die anderen reden? Stehe ich nicht selbst in der Gefahr, meine Bedürfnisse über die Interessen anderer zu stellen? Will ich nicht auch erfolgreich sein, ordentlich Geld verdienen und mir ab und zu etwas Außergewöhnliches leisten? Aber bei mir ist das ja alles nicht so extrem. Ich pass schon auf, dass ich nichts zum Nachteil anderer tue. Ich denke, hier kommt die rosarote Brille ins Spiel. Es geht gar nicht um meinen Nachbarn oder Bekannten. Es geht um mich! Das übersehe ich geflissentlich.

Auf einmal gewinnt unser Bibeltext eine ganz andere Dimension. Dort, wo ich das Beste für mich erreichen will, besteht die größte Gefahr, dass ich am Ziel vorbeitreibe. Ich lebe nur für den Augenblick, ohne Weitblick. Das muss mir vielleicht öfter mal jemand sagen.

Jesus sagt es den Menschen, denen er begegnet: Was hilft es dir, wenn du alles erreichst, was im Moment möglich ist, aber am Ende mit leeren Händen dastehst?

Welches Ziel will ich in meinem Leben erreichen? Manchmal muss ich neu darüber nachdenken und Korrekturen vornehmen. Weißt du, wohin du unterwegs bist und was du erreichen willst? Solch eine Standortbestimmung lohnt sich. Gott segne dich dabei!

Erhard Dittberner