Über das Langsamsein...
Ein jeder Mensch sei schnell zum Hören,
langsam zum Reden, langsam zum Zorn.

Jak. 1,19


Na, liebe Ausprobierer und Brückenbauer des Monats Juni,wie war euer kleiner Praxistest in Sachen heilsames Miteinander im letzten Monat?

Hat es funktioniert? Habt ihr euch überhaupt getraut, aufeinander zuzugehen? Oder seid ihr wieder einmal stolpernd zu Fall gekommen, habt eines der umherstehenden ‚Fettnäpfchen‘ erwischt oder seid mit eurem Gesprächsversuch krachend gegen die Wand gefahren?

Dabei geschieht das Entscheidende oft gar nicht in der eigentlichen Begegnung, im Gespräch selbst, sondern schon lange vorher. Etwa so, wie uns das Paul Watzlawick in seiner „Geschichte mit dem Hammer“ symptomatisch vor Augen führt:

Ein Mann will ein Bild aufhängen. Den Nagel hat er, nicht aber den Hammer. Der Nachbar hat einen. Also beschließt der Mann, hinüberzugehen und sich den Hammer auszuborgen.
Doch da kommt ihm ein Zweifel: "Was ist, wenn der Nachbar mir den Hammer nicht leihen will? Gestern schon hat er mich nur so flüchtig gegrüßt. Vielleicht war er ja nur in Eile. Aber vielleicht hat er die Eile auch nur vorgetäuscht und er hat etwas gegen mich. - Und wenn ja, was? Ich habe ihm nichts getan; der bildet sich da etwas ein. Wenn jemand von mir ein Werkzeug borgen wollte, ich gäbe es ihm sofort. Und warum auch nicht? - Wie kann man einem Mitmenschen einen so einfachen Gefallen abschlagen? - Leute wie dieser Kerl vergiften einem das Leben. Und dann bildet er sich am Ende noch ein, ich sei auf ihn angewiesen. Bloß weil er einen Hammer hat. Jetzt reicht es mir aber wirklich!"
Und so stürmt er zu seinem Nachbarn und läutet. Der öffnet und noch bevor dieser guten Tag sagen kann, schreit ihn unser Mann an: "Behalten Sie Ihren Hammer, Sie Rüpel!"

Quelle: Bild-Spruch-Karte 319-03, © Kawohl Verlag Wesel (Textrechte: aus Paul Watzlawick: Anleitung zum Unglücklichsein, © 1983 Piper Verlag GmbH, München)

Das ist doch Kopfkino vom Feinsten. Anstatt wirklich mit unserem Gegenüber zu reden, reden wir mit uns selbst. Wir zermartern uns das Gehirn über das Was-sein-könnte und das Was-wäre-wenn. Anstatt zu hören und zu erforschen, was wir für eine Antwort bekommen, basteln wir fleißig an der Schublade, in die wir den anderen hineinstecken können. Das aber ist kein Gespräch, sondern ein Vorurteil und ein falsches Bild, das wir uns von einem anderen Menschen zulegen.
Ein Gespräch lebt davon, dass ich hinhöre, wo sich der andere öffnet, wo er mich in sein Leben hineinschauen lassen will, was ihm gerade wichtig ist. Und ein Gespräch lebt davon, dass ich mich öffne, damit der andere hinhören kann.
So kann dann auch ein wirkliches ‚Aussprechen‘ miteinander gelingen, wenn ich mir Zeit nehme und (zu-)höre, was den anderen bewegt, was er vielleicht schon lange mit sich herumträgt und endlich auch mal aussprechen und loswerden will.
Unser Monatsspruch gibt uns also eine neue Chance, weiterhin zu üben und uns auszuprobieren. Der entscheidende Hinweis liegt dabei in der hilfreichen Reihenfolge:

  1. Schnell zum Hören -
  2. langsam zum Reden -
    ... und vielleicht mit beginnendem Verstehen dann ...
  3. noch langsamer zum Zorn.

Gute Erfahrungen beim ‚Brücken bauen‘ und ‚Aussprechen‘ wünscht euch und sich selbst

Thomas Lehnert