Jahreslosung 2016

Gott spricht: Ich will euch trösten, wie einen seine Mutter tröstet.

Jesaja 66,13

Trösten ist doch etwas für kleine Kinder, wenn sie sich weh getan haben oder einen Wunsch nicht erfüllt bekommen. Meist gibt es dann ein Trostpflaster und alles wird wieder gut, oder? So ganz stimmt diese Einschätzung nicht. Auch Erwachsene kommen in Situationen, wo Trost gut tut. Und dann ist es schön, wenn uns ein Wort oder eine Geste aufmuntert, neuen Mut gibt. Warum aber will uns Gott zum Beginn eines neuen Jahres Trost verheißen? Wird das Neue so schlimm?


 

Trost spricht man doch nicht vorher aus. Meist folgt er als Reaktion auf ein Ereignis. Der Blick in den Textzusammenhang der Jahreslosung erweitert unsere Sichtweise. Nachdem große Teile der Bevölkerung Israels eine 70-jährige Gefangenschaft in Babylonien durchlebten, kehrten die Ersten in ihre Heimat zurück. Die Erwartungen waren groß. Endlich wieder zu Hause sein, Gottesdienst im Tempel feiern. Die Ernüchterung folgte auf dem Fuß. Der zerstörte Tempel und Jerusalem befanden sich noch im Aufbau. Auseinandersetzungen mit den Bewohnern von Jerusalem folgten. Sie waren die „Neuen und Zugereisten“. Auf einmal erheben auch noch andere den Anspruch auf ihre Heimat. So hatten sie sich das nicht vorgestellt. Niedergeschlagenheit und Ratlosigkeit machen sich breit. In dieser Situation begegnen ihnen die Worte eines Mannes, der als Profi im Trösten galt: Jesaja. „Gott will euch trösten, wie einen seine Mutter tröstet.“ Unwillkürlich muss ich an eine Mutter denken, die ihr kleines Kind in den Armen hält, welches gerade hingefallen war. Sie wischt die Tränen ab, streichelt über das Haar und pustet vielleicht über das aufgeschlagene Knie. „Das ist nicht so schlimm, das heilt wieder.“ Hier spiegelt sich die Weitsicht einer Mutter wieder. Die Tränen und die Wunde sind ein Momentaufnahmen. Das Leben geht weiter, verändert sich. Jetzt will sie aber erst einmal für ihr Kind da sein. Sie drückt es an sich, und bald kehrt das erste Lächeln im Gesicht wieder zurück. Wir alle sind unterwegs, starten in ein neues Jahr. Einiges, was uns erwartet, wissen wir. Aber es wird auch viel geschehen, das so nicht geplant war. Manches wird uns beunruhigen und Not machen. Anderes wird uns begeistern oder ratlos machen. Und dann begegnet uns Gott mit seiner Weitsicht und Gegenwart. Er wird da sein, wenn wir Neuland betreten. Er wird da sein, wenn sich unsere Erwartungen nicht erfüllt haben und wir mutlos sind. Er wird uns ermutigen, aufrichten und wieder aufatmen lassen, wo wir seelisch am Ende sind. Gott wird uns nicht plump auffordern, den Kopf hochzunehmen und verbissen durchzuhalten. Er will einfach mit uns unterwegs sein, da sein, wenn unsere Kraft nicht mehr ausreicht. Diese Gewissheit begleite uns alle durch das neue Jahr.

Erhard Dittberner