Christus ist gestorben und lebendig geworden, um Herr zu sein über Tote und Lebende.

Römer 14,9


Was für ein schöner Vers zum Oster-Fest, mag man sich beim ersten Lesen dieses Spruchs denken. Jesus ist für uns und unsere Schuld gestorben, das kann man gedanklich ergänzen, und ist wieder auferstanden, hat somit den Tod besiegt, deswegen das „Herr“ im Vers – das gesamte Evangelium in einer Nussschale. Kein Wunder, dass dieser Satz über diesem Monat stehen soll, oder?

Es ist wie so oft im Leben natürlich weitaus komplexer und vielschichtiger, als es auf den ersten Blick scheinen mag. So steht dieser Vers aus dem Brief an die Römer selbstverständlich in einem Zusammenhang, der hier wirklich interessant ist. Paulus als Verfasser behandelt in diesem Kapitel des Briefs an die Gemeinde ein heikles Thema: In „meiner“ Bibelübersetzung ist es mit Urteilt nicht übereinander überschrieben.

Kurz gesagt geht es um unterschiedliche Ansichten unter Christen zu bestimmten Themen wie Verzicht auf Fleisch oder die Bedeutung bestimmter Tage für einen. Das sind Themen, die uns auch heute noch (oder wieder?) vertraut vorkommen. Jeder ist betroffen, deshalb hat jeder eine Meinung, und jeder ist dadurch auch „angreifbar“, wenn letztere nicht passt. So weit, so normal.

Interessant ist hierbei der Rat, den Paulus gibt, wie wir mit solchen Umständen umgehen sollen: Nicht einander die Meinungen vorhalten und dafür den anderen verurteilen, sondern leben und leben lassen. Paulus gesteht es uns Menschen zu, dass wir Dinge aus Beweggründen tun, über die wir uns Gedanken gemacht haben, das finde ich einerseits befreiend und andererseits bemerkenswert.

Heute ist es leider oftmals zu beobachten, dass nur noch die eigene Meinung und Weltbild zählen, andere – davon abweichende – werden niedergebrüllt oder in eine rechte bzw. falsche Ecke gestellt. Man wähnt sich auf der Seite der Guten und damit ist alles andere praktisch falsch, rückständig oder irgendwie andersartig diskriminierend. Das ist anstrengend und nicht im Sinne des Erfinders.

Anders Paulus: „Entscheidend ist aber, dass jeder von dem überzeugt ist, was er denkt!“, so Vers 5 im bereits erwähnten Kapitel. Der Apostel sieht als Beweggründe für unterschiedliches Verhalten dieselben Motive: Ehre und Dank an Gott (vgl. V. 6). Egal, wie wir im konkreten Fall unser Leben ausgestalten, wir leben für Gott und gehören ihm (vgl. V. 8) und damit kommen wir zu unserem Vers: Christus ist der Herr über alle Menschen, seien sie nun tot oder lebendig. Vor ihm werden wir uns einmal rechtfertigen müssen (vgl. V. 10).

Damit entfällt das Ver- und Beurteilen anderer. Sicher, wer Unrecht begeht, gehört bestraft. Aber ich muss und sollte niemanden wegen unterschiedlicher Meinungen und Auffassungen herabsetzen. Ich muss mich auch nicht über Veganer, Vegetarier, Pescetarier oder dergleichen lustig machen, um mich selbst moralisch zu rechtfertigen. Genauso wenig über Fahrer von E-Autos oder Menschen, die im Gottesdienst aufstehen und Gott eben anders anbeten als man selbst.

Leben und leben lassen, so sagt man. Denke ich an unseren Vers, würde ich gern ergänzen: Leben und sterben lassen – es ist mit dem Tod hier auf Erden nicht aus, sondern es geht weiter, und das ist eine oder die Botschaft, die wir gerade zu Ostern weitersagen dürfen.

Stefan Klein