(Mein Lieber) … ich wünsche dir in jeder Hinsicht Wohlergehen und Gesundheit, so wie es deiner Seele wohlergeht. 3. Joh 2

 


 Was für ein Monatsspruch! Das nenne ich mal eine richtige Wohltat aus der Feder von Johannes. Wohl gemerkt, wir haben hier keine Glückwunschkarte vor uns, sondern einen Vers aus der Bibel, konkret aus dem 3. Brief von Johannes. Der Empfänger dieser Grüße ist Gajus. Johannes bedankt sich wohl für dessen Gastfreundschaft. Gajus hat wohl Johannes beherbergt, der sich vermutlich als Ältester um dessen Gemeinde gekümmert hat.

Schon die Anrede ist bemerkenswert, weil sie so anders ist. Da steht nicht: „Meine lieben Kinder, ich ermahne euch aber, dass ihr …“ Also einmal keine Ermahnung, der man erst einmal nachkommen müsse, wie an manch anderer Stelle von Johannes niedergeschrieben. Da ist auch nicht die Rede von einer Verheißung, also von einem Versprechen Gottes, dass man für schwierigere Zeiten zugesprochen bekommt.

 

Sondern da steht: „Mein Lieber / lieber Freund …“ Und dann kommen … einmal einfach nur gute Wünsche. Und das in einer Form, wie man sie selten in der Bibel liest! Sondern wohl viel eher auf einer Geburtstagskarte. Da wünscht jemand einem guten Freund von Herzen alles Gute für alle Bereiche des Lebens und viel, viel Gesundheit.

Steigen da nicht sofort tief in unserem christlichen Denken eingepflanzte Gegenreaktionen auf: aber Gesundheit ist doch nicht das Wichtigste, oder? Und dass es einem gut geht, doch wohl auch nicht? Da lesen wir in manchen biblischen Grußworten doch viel eher vom Wunsch nach Gottes Beistand und Bewahrung im Leid und in sonstig schwierigen Zeiten. Und Ermahnungen, Ermahnungen, Ermahnungen – nachzulesen bei Paulus, bei Petrus, bei Jakobus, bei dem Schreiber der Hebräerbriefes, bei Judas (also dem Bruder von Jesus) und selbst bei Johannes an faktisch allen anderen Stellen. Das Wort ‚letzte Ermahnungen‘ hat sich quasi schon in fast jedem apostolischen Brief als Überschrift eingebürgert. Natürlich stehen dahinter gute Wünsche, sich in Geduld zu üben, auf die Reinheit der Lehre achten, nicht zu sündigen und vieles andere mehr. Einfach mal ‚Danke‘ sagen, das ist es, was Johannes hier tut. Und er verstärkt dies gegenüber Gajus noch einmal, in dem er auf andere verweist, die eben nicht so gastfreundlich waren.

Es wird noch besser. Dies wird deutlich, wenn man etwas genauer hinschaut und andere Übersetzungen zur Hand nimmt. Dabei stellt sich heraus, dass sich Johannes sicher ist: Gajus geht es innerlich gut: „… dass es dir in jeder Hinsicht gut geht und dass dein Körper so gesund ist wie deine Seele.“ (NeÜ) Johannes begründet das auch, denn dann wird von Gajus‘ Treue zur Wahrheit und Bemühungen um andere Brüder berichtet. Da scheint das Verhältnis zu Gott und zur eigenen Berufung gut ausgeglichen zu sein.

Wir wissen im Übrigen nicht, wie es wirklich um die Gesundheit von Gajus bestellt war. Und ob Johannes einfach diese Wünsche nach Gesundheit übermittelt hat – wie wir das in unsere Glückwünsche so einbauen - oder ob Gajus‘ Gesundheit auch angegriffen war.

Deshalb: Lassen wir es einfach so stehen. Betrachten wir einfach das herzliche Verhältnis zwischen Gajus und Johannes und genießen wir es, wo es uns gegönnt ist, ebenso eine solche Beziehung leben zu können. Lassen wir es einfach stehen, dass bei Gajus vielleicht rundum alles in Ordnung ist und dass die Gefühlswelt, die Gesundheit und die Seele in Einklang sind. Lassen wir einfach stehen, dass Johannes als Ältester hier ein Mitglied der Gemeinde öffentlich lobt.

Ich denke, da genießt auch einmal ein Ältester, was er seinem Freund und Bruder geworden ist. Da hat nämlich jemand verstanden, was es bedeutet nach Jesu Wort – in der Wahrheit - zu leben.

Man könnte denken, Johannes genießt auch, dass er selbst als Gemeindeältester ein wichtiges Ziel erreicht hat. Vielleicht sieht er das, wofür er gelebt selbst hat, jetzt in Gajus: nämlich für die Wahrheit einzustehen, ein Zeuge von Jesus zu sein, um damit das Leben anderer zum Guten zu verändern. Deshalb hat sich Johannes auch bei nächster Gelegenheit bei Gajus wieder eingeladen und freut sich riesig auf das Wiedersehen!

Vielleicht steckt ja in uns allen eine echte Sehnsucht nach solchen guten Wünschen für Leib und Seele aus der Tiefe des Herzens. Vielleicht wünschen wir uns, dass gestandene Geschwister zu uns einmal sagen „Mein Lieber …“ und das auch so meinen.

Mir macht das Mut, gegenüber anderen offen diese guten Wünsche für den inneren und für den äußeren Menschen zu äußern. In guten, in nicht so guten und in wirklich schlechten Zeiten.

Thomas Cziesla