Monatsspruch Oktober

Wie es dir möglich ist: Aus dem Vollen schöpfend - gib davon Almosen! Wenn dir wenig möglich ist, fürchte dich nicht, aus dem Wenigen Almosen zu geben!

Tobit 4, 8


Wenn ein Vater am Ende seines Lebens letzte Worte bewusst an seine Kinder richtet, ist das ein ganz besonderer Moment. In solchen Worten wird man nur Wichtiges mitteilen. Im Monatsspruch für den Oktober spricht ein Vater zu seinem Sohn in solchen Worten über Barmherzigkeit.

 

Ein Begriff, über den unsere Zeit mittlerweile hinweggegangen ist. Genauso altmodisch wie Barmherzigkeit ist der Begriff „Almosen“. Allenfalls hat man noch das Bild von den kleinen Münzen im Kopf, die man zusammenklaubt, um sie dem lästigen Bettler in der Fußgängerzone in die Mütze zu werfen. Die Redewendung „Das sind nur Almosen!“ ist uns vielleicht noch bekannt. Sie steht für Enttäuschung, für „Zum Leben zu wenig, zum Sterben zu viel“.

Im Text, der dem Monatsspruch zugrunde liegt, bekommt er eine ganz neue Größe. Tobit – so heißt der Mann, der in Erwartung seines baldigen Todes das Vermächtnis seines Lebens in einem Brief an seinen Sohn zusammenfasst. Hier spricht er über Almosen. Almosen kommt aus dem Griechischen und bedeutet so viel wie Mitleid oder Mildtätigkeit.

Tobit war ein Mann, der offensichtlich kein Armer war. Er war dafür bekannt, besonders barmherzig zu sein. Das ging sogar soweit, dass er selbst Leid durch sein praktiziertes Mitleid ertragen musste. Doch trotz dieser Erfahrung gibt er diesen Lebensgrundsatz an seinen Sohn in seinen letzten Worten weiter.

Unser Text sagt uns, dass es bei Almosen nicht um Kleinigkeiten, nicht um die kleinen Münzen aus unserem Portemonnaie geht. Tobit fordert seinen Sohn auf, die Hilfe für andere nicht abhängig vom Kontostand zu machen, sondern die Verantwortung für den anderen im eigenen Leben zu verankern.

Christen kennen das Gebot der Nächstenliebe. Im Gleichnis vom barmherzigen Samariter zeigt uns Jesus, worum es geht. Es geht darum, dem anderen, der Not leidet, zu helfen, ohne selbst etwas zu erwarten. Dem anderen etwas von Gottes Liebe weiterzugeben, weil man selbst diese Liebe Gottes erfahren hat. Zugleich zeigt uns dieses Gleichnis, dass es nicht gereicht hätte, dem Notleidenden etwas Geld hinzuwerfen. Sehr oft braucht es Hände, die anpacken, die eine Situation verändern. Verantwortung für den anderen geht über das hinaus, was uns finanziell möglich erscheint. Der andere braucht oft mehr als die Münze aus unserer Geldbörse.

Man sagt heute, dass es uns in unserem Land so gut geht wie nie zuvor. Wenn ich auf mich schaue, ist das auch so. Wir haben Überfluss und alles scheint geregelt. Der Staat stellt das Notwendigste für die Ärmsten bereit, das Minimum zum Leben. Und doch sprechen die Tafeln, welche arme Menschen mit Lebensmitteln versorgen, von einem Bedarf, den sie kaum noch decken können. Alte Menschen grasen die Mülltonnen und Papierkörbe nach Pfandflaschen ab, um das notwendige zum Leben zu haben. Erschreckend ist, dass diese Armut sehr oft Menschen trifft, die in Arbeit stehen und dass nicht nur in einem Job. Dass sie Rentner trifft, welche ihr ganzes Leben gearbeitet haben. Schaut man darüber hinaus auf den Rest der Welt, weiß man, dass nur ein sehr kleiner Teil der Menschheit in solchem Überfluss lebt, wie wir ihn erleben. Fast könnte man annehmen, dass dieser Überfluss nur durch den Mangel anderer möglich ist.

Spätestens hier wird uns deutlich, dass Verantwortung im Umgang mit dem uns anvertrautem Gut den anderen nicht aus dem Blick nehmen darf. Der oder die anderen sind also nicht nur unsere direkten Nachbarn, sondern auch die, welche durch unseren Überfluss Mangel leiden.

Eine funktionierende Gesellschaft zeichnet sich dadurch aus, dass sie den Notleidenden nicht aus dem Blick verliert. Wir sollten die weisen Worte eines Tobit neu hören – sie stehen für ein wesentliches Kriterium einer funktionierenden Gesellschaft. Wir konzentrieren uns heute immer mehr auf unser Ich. Was muss passieren, dass es mir besser geht, ist sehr oft unser Lebensmotto. Wie erreiche ich meine Ziele schneller. Da kann Rücksicht auf den anderen keine Hilfe sein.

Diese Lebenseinstellung ist durchaus eine Gefahr für unsere Gesellschaft und mittlerweile sogar für den Planeten, auf dem wir leben. Vielleicht kann der Blick auf den anderen unserem Leben eine neue Perspektive geben. Almosen sind keine Kleinigkeit und es geht keineswegs nur um Geld, es geht um Engagement, man muss sich auf den Weg machen. Jesus hat uns mit seinem Leben ein leuchtendes Beispiel gegeben.

Matthias Wank