Ich will unter ihnen wohnen und will ihr Gott sein
und sie sollen mein Volk sein.
Hesekiel 37,27

Wir lesen hier einen der wohl schönsten Verse in Gottes Wort. Das in die Gefangenschaft weggeführte Volk erhält eine wunderbare Zusage von seinem Gott. Dies in einer alles andere als einfachen Zeit: gefangen, weggeführt und fern der Heimat. Familien teilweise auseinandergerissen oder gar zerstört. Den Erbbesitz der Familie hat jetzt der Besatzer. In diese unmenschliche Situation fällt das Trostwort bestimmt tief in die Herzen der Zuhörer.

Mag sein, dass wir heute in einer Zeit leben, die uns einfacher erscheint. Aber welche Zeit ist denn das schon wirklich? Wenn wir auf das Volk Gottes in der Welt schauen, gibt es auch heute Dinge, die treiben einem die Tränen in die Augen. Und es sind Ereignisse, die mich erschrecken und innehalten lassen. Gerade wenn es um die Nachfolger von Jesus geht,  also neben den Juden um das heutige weltweite Volk Gottes, sind immer öfter Meldungen dabei, die nur leise genannt werden und die man teilweise sogar selbst recherchieren muss; zumindest gibt es kein Special, also keine Sondersendung über diese Vorgänge.
Die Ermordung von 21 vorwiegend ägyptischen koptischen Christen durch den sogenannten IS in Syrien. Das Massaker an 26 koptischen Christen nicht weit entfernt von der ägyptischen Hauptstadt Kairo im Mai dieses Jahres. Die wachsende dschihadistische Gewalt gegen Christen in Mali. Oder am Ostersonntag im letzten Jahr: in Lahore (Pakistan) explodiert eine Bombe gleich neben Kinderschaukeln. Von den 72 Toten waren 35 Kinder und 7 Frauen - Mitglieder der pakistanischen Christengemeinde. Weiter: Im Sudan geht es einerseits um Öl, andererseits um Vertreibung von Christen. Dass in der Türkei unsere Geschwister in ihrem Glauben immer stärker zurückgedrängt werden … wer redet da schon etwas lauter drüber? Man muss nicht lange suchen, um die Aufzählung fortzuführen zu können.
Aktuell erleben wir in vielen Staaten, wie die Demokratie an den Rand gedrängt wird und wie Autokraten und machtversessene Herrscher wieder das Zepter schwingen, wie sie dabei aus Gründen, die mir nicht vollständig einleuchten, den Minderheiten, zu denen in vielen Ländern eben auch Christen gehören, die Luft zum Leben nehmen wollen. Dies alles geschieht in unserem aufgeklärten und gebildeten Internetzeitalter.
Was für eine Zusage gibt Hesekiel da an das bedrängte Gottesvolk: sowohl 575 v. Chr. als auch im Jahr 2017! Der Gott, wegen dem sie die ganze Bedrängnis auf sich nehmen, den sie aber nicht sehen können, wird sichtbar und spürbar unter ihnen wohnen. Der allmächtige Gott als Nachbar! Der Herr der Welt in Rufweite! Zu ihm gehören – nichts soll mich daran hindern. Dafür nehme ich das alles auf mich!
Stopp mal! Meine ich damit jetzt wirklich auch mich selbst? Wozu bin ich dabei bereit? Was verbindet mich mit dem Volk, das Hesekiel vor sich hatte – ja, was verbindet mich mit dem verfolgten Gottesvolk heute? Ich kann doch hier in Deutschland meinen Glauben frei äußern, bin eher nicht in der Gefahr, in „babylonische Gefangenschaft“ geführt zu werden.
Aber fragen wir uns doch einmal, ob das so bequem bleiben wird, wenn wir anfangen, uns etwas lauter zu äußern, laut und konkret Stellung beziehen zu unseren verfolgten Geschwistern in der Welt. (Vielleicht an dieser Stelle ein kleiner Hinweis: um hier laut zu werden, muss man gar nicht immer auf die Straße gehen, die sozialen Netzwerke bieten hier viele Gelegenheiten, Farbe zu bekennen und zu unterstützen.) Etwas lauter werden, wenn wir davon überzeugt sind, dass Kinder besser bei Mutter und Vater als bei zwei Vätern aufwachsen. Etwas lauter werden, wenn wir glauben, dass der Weg über Krippe, Langzeitbetreuung und Ganztagsschulen zwar eine wirklich notwendige Möglichkeit für Alleinerziehende ist, aber doch nicht der Königsweg für alle Familien sein kann.
Wenn wir etwas lauter werden, wenn wir glauben, dass es Gott richtig ernst mit dem wöchentlichen Ruhetag ist, etwas lauter werden, dass wir glauben, dass Gott diese Welt allein durch sein Wort erschaffen hat. (Glauben wir doch, oder?) Und nicht zuletzt – und jetzt kostet es richtig Mut – etwas lauter werden, um den Menschen in unserem Umfeld zu sagen, dass Jesus der Weg, die Wahrheit und das Leben ist. Nur Jesus kann von Gottesferne und Sünde befreien und damit die Voraussetzungen überhaupt schaffen, dass Gott bei uns wohnen kann. Und zwar nur Jesus und nix und niemand anderes.
Luftholen… Manchmal glaube ich: der Himmel ist die Erde in gut. Klar wird Gott Himmel und Erde neu machen. Aber dort werden wir wohl vieles wiedererkennen, was wir für Gott hier eingesetzt und was Gott mit uns aufgebaut hat. Dann scheint mir so, dass Gott nicht nur einfach kommt, um bei uns zu wohnen. Dann haben wir doch vielmehr einen Teil der Wohnung Gottes mitgestaltet, oder? Irgendwo müssen ja dann die Schätze liegen, die wir für den Himmel sammeln sollten.
Deshalb lassen wir doch einfach die Sehnsucht unter uns stärker werden, dass Gott auch bei uns wohnen wird – mitten unter uns, seinem Volk. Reden wir öfter mal auch darüber…

Thomas Cziesla